Bücherhinweise - abseits des Mainstreams

Der Warmduscher Blues

 

Immer zu kurz gekommen

Stets ein Opfer

Immer betrogen und hintergangen

Stets bei den Verlieren

Nie obenauf

Immer hinters Licht geführt

Stets über den Tisch gezogen

Immer Verschwörungen ausgeliefert

 

Stets tüchtig und fleißig

Immer brav und redlich

Stets arbeitsam

Immer ehrlich und gerecht

 

Aber jetzt dämmern neue Zeiten herauf

Endlich kommt es zur großen Abrechnung

und die da oben werden Augen machen

Wenn sie sehen

Was alles möglich ist,

was alles möglich ist.

 

 

 

 

 

Road Stops – von Udo Breger

 

Die Prosa wird zur Poesie, das Foto zum Gemälde

Udo Bregers „Road Stops“  (unweigerlich kommt einem das „on the road“ von Jack Kerouac in den Sinn) ist ganz vom Geist des „unterwegs sein“ geprägt oder wie es am Cover heißt: Stationen einer Lebensreise mit Burroughs, Gysin und vielen anderen. Oder wie Peter Weibel in seinem Vorwort schreibt: „Wer dieses Buch durchblättert und seine Texte liest und seine Bilder sieht, wird zum Passagier auf einer Reise On the Wild Side (Lou Reed) und dem Breaking Through to the Other Side (Jim Morrison).

Udo Breger wurde 1941 in Göttingen geboren und arbeitete als Autor, Verleger, Fotograf, Übersetzer. 1968 hatte er seinen Verlag, die Expanded Media Editions gegründet, der sich besonders neuen literarischen Strömungen widmete.

Im Jänner 1972 kam es für Udo Breger zum ersten und folgenreichen Zusammentreffen mit W.S. Burroughs und Grion Gysin in London,  das der Übersetzer vieler amerikanischer Beatautoren Carl Weissner eingefädelt hatte.

Spätestens seit dem Roman „Junkie“ (1953) und vor allem seit „Naked Lunch“ im Jahre 1959 war W.S.B. ein „hero“ der amerikanischen counter-culture. Mit den beiden anderen Galionsfiguren Jack Kerouac und Allen Ginsberg bildete er die „Dreifaltigkeit“ der Beatgeneration.

Darum begegnete Udo Breger William S. Burroughs anfangs mit großen Respekt. Auf die Frage, wie er sich die Honorarfrage vorstelle, hob Burroughs sechs Finger und meinte „six copies“. Damit war dieses Thema vom Tisch und es war  der Beginn einer lebenslangen Freundschaft sein.

W.S.B und sein Kompagnon Brion Gysin kannten einander aus ihrer Zeit in Tanger, lebten und arbeiteten dann zwischen 1957 und 1963 im legendären Beathotel in der Gît-le-Cœur in Paris, ehe sie nach London weiterzogen. Im Beat Hotel entwickelten die Beiden die cut-up-Technik, wo sie die Filmschnitttechnik auf die Literatur übertrugen. Burroughs war überzeugt, dass die Sprache ein Virus ist und die Cut-up-Methode eine Möglichkeit wäre, die Sprache zu befreien. In diese Zeit fällt auch die Entwicklung der „Dreamachine“, wahrscheinlich das einzige Kunstwerk, das man mit geschlossenen Augen betrachten muss. Es geht um Lichtreflexe, die das Gehirn stimulieren.

Udo Breger beschreibt seine Begegnungen, und seine oft monatelange Zusammenarbeit mit Burroughs im legendären Bunker in New York oder in Lawrence in Kansas (die letzte Lebensstation von Burroughs) in unspektakulärer aber  intensiver Art. Neben WSB und Brion Gysin tauchen immer wieder viele Unbekannte aus der Burroughs und Gysin community auf, ebenso wie viele öffentliche Bekanntheiten wie z. B. David Bowie, Chet Baker, Kathy Acker, Joseph Beuys oder Dr. Albert Hofmann, Erfinder vom LSD.

Breger benützt zwar die Techniken der dokumentarischen Darstellung, um seine „Road Stops“ in Wort und Bild festzuhalten, aber bei den Fotos gibt es keine Bilduntertitel, was programmatisch zu verstehen ist. Oder wie Peter Weibel im Einführungstext meint: „...bei Udo Breger hat weder das eine noch das andere Medium das Monopol inne...“ (S. 9) Er bedient sich eines ruhigen, gediegenen Stils. Die Stimmung des gesamten Buches ist getragen von einer leisen Melancholie und Traurigkeit.

Peter Weibel: „Es wird die Prosa zur Poesie, die Geschichte zum Gedicht, das Foto zum Gemälde.“

 

Road Stops von Udo Breger

Verlag: Imago Mondial

Mit einer Einführung von Peter Weibel und weiteren Beiträgen von Oliver Harris und Ian MacFadyen

E. Schneitter

Wichtige Literatur findet man nur abseits des Literaturmarktes!!!!!!

Harold Norse – Karmakreis

 

Es gibt Künstler, deren Existenz selbst als Kunstwerk angelegt ist. Für Harold Norse (eigentlich Harold Rosen) gilt das in hohem Maße. Während seines langen Lebens – er starb 2009 im 93. Lebensjahr – führte ein Dasein als Bohemien, wobei er sich zumeist in den Kraftzentren der Kunst aufhielt. Mit vielen Berühmtheiten der Kunstszene arbeitete und/oder lebte er zusammen und mit vielen verbanden ihn enge Freundschaften: James Baldwin verhalf er zu seiner ersten erfolgreichen Buchpublikation, bei W.H. Auden arbeitete er als Sekretär (dieser spannte ihm auch seinen Freund aus), mit Burroughs, Ginsberg und Corso lebte er im legendären Beat Hotel in Paris (darüber verfasste er den Cut-up Roman „Beat Hotel“), mit Jackson Pollock und Dylan Thomas betrank er sich regelmäßig in der White House Tavern in Manhattan oder in Venice Kalifornien befreundete er sich mit Charles Bukowski und übrigens auch mit Arnold Schwarzenegger usw.... Bis in sein sechzigstes Lebensjahr war er unentwegt on the road, ehe er in den Siebzigerjahren in San Francisco sesshaft wurde. Über seine Freunde und Bekannten, über die Begegnungen mit denen, hat er das Buch „Bastard“ verfasst, das von Carl Weissner übersetzt und bei Zweitausendeins erschienen ist. Zum hundertjährigen Geburtstag (Norse wurde 1916 geboren) bringt nun die Stadtlichter Presse den Gedichtband Karmakreis – zweisprachig und übersetzt von Ralf Zühlke – heraus. Diese Texte sind in der Zeit zwischen 1958  und 1965 erschienen und sind zuerst in einem Londoner Kleinverlag erschienen. In der Entstehungszeit der Gedichte hat Harold Norse in Europa gelebt, in Italien, in Griechenland, in Paris, London und Amsterdam.

Seine Gedichte sind voll expressionistische Bilder, Beschwörungen, Rundumschläge der Verzweiflung und ein Abgesang auf das Dasein aber auch Hymnen auf den Alltag eines Schwulen und politischen wachen Geist.

auf die knie! bete den heiligen menschlichen körper an!

      verehre gott in der gabelung der schenkel!

            ich kann nicht den „sozialistischen sieg“ blasen

      auch keine andere fahne hissen als meinen lilienweißen arsch

für alle blöden nationen die verlangen daß ich mich für eine seite entscheide

ich habe gewählt   orgasmus/empfinden/geruch/selle

freiheit des traums  wer ist freier als wenn er träumt?

ich wähle das licht des himmels   über den boulevards

     & die bücherstände   mit all den sexy bildern

         & die magischen prophezeiungen   DIE ERDE

 

Obwohl ihn William Carlos Williams für den besten Lyirker seiner Generation hielt, blieb der große Erfolg für Harold Norse aus. Aber darauf kommt es ja nicht an. Als Harold Norse 2009 in San Francisco starb, sollen seine letzten Worte: „the end ist the beginning“ gewesen sein.

 

Elias Schneitter

 

Harold Norse; Karmakreis – Gedichte Stadtlicher Presse;

Übersetzer: Ralf Zühlke

Nachwort: Judith Pouget

ISBN:978-3-936271-83-6

1. Auflage, Juli 2016

 

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